Waffen-Revue No.112
Stielhandgranate „August"
mit selbsttätigem Aufschlagzünder
In Heft 30 der „Waffen-Revue" hatten wir einen Überblick über die im Ersten Weltkrieg gebräuch-lichsten Handgranaten gebracht. Daneben gab es eine Vielzahl von weiteren Konstruktionen, die zum Teil auch von Privatfirmen vorgeschlagen, erprobt und auch in größeren Stückzahlen in Gebrauch genommen wurden. Im Oktober 1935 kam unter der Nr. 10 geh. W Wi II b eine „Übersicht über die vom Ing. Korn. bearbeiteten Nahkampfmittel und ihre Entwicklung während des Krieges. Nach den Akten des Reichsarchivs bearbeitet von Ing. Westerholt" heraus, in der es u. a. wie folgt lautet: „Als mit dem Einsetzen des Stellungskrieges die Nachfrage nach Handgranaten immer lebhafter wurde, richteten sich die Armeen selbst Fabrikbetriebe ein und stellten dort behelfsmäßige Hand-granaten nach Sprengvorschrift in großer Zahl her. Diese Handgranaten litten jedoch schnell durch Feuchtigkeit und waren wenig beliebt, da sie nicht handhabungssicher waren. Das Ing. Kom. (= Königl. Preuß. Ingenieur-Komitee, Anmerkung der Redaktion) wurde daher im Herbst 1914 beauftragt, eine sich für die Massenproduktion in der Heimat eignende Handgranate zu konstruieren.
Aus diesen Versuchen entstanden die Stielhandgranate Bz. und einige andere Handgranaten. Außerdem tauchten ständig neue Konstruktionen auf, die von der Truppe in ihrer Wirkung und Handhabung sehr verschieden beurteilt wurden. Bereits im März 1915 war die Zahl der Nah-kampfmittel auf 31 angewachsen. Zur Vereinheitlichung wurde vom 15. 1. 1916 ab eine große Anzahl ausgeschieden." (Als Quelle hierzu gibt Ing. Westerholt an: „Zusammenstellung der im Verlauf des Krieges ins Feld gegangenen Nahkampfmittel, Akte m. Anmerkung 2, Stielhandgranate I. K. Abt. 129, Ref. F Bd. 19 - 28.") Weiter hinten schreibt dann Ing. Westerholt wie folgt: „Da man bei der Stielhandgranate Bz. eine Brennzeit von 5'/2 Sekunden vorgesehen hatte und man zu der Ansicht gekommen war, daß die lange Brenndauer die Handhabungssicherheit be-einträchtigte, wurde im Sommer 1916 die Stielhandgranate August' mit kürzerer Brenndauer konstruiert.
Bei der neuen Handgranate war man bestrebt, die Zündung erst nach Abwurf selbsttätig eintreten zu lassen und eine Verkürzung der Brennzeit auf 2 bis 3 Sekunden einzuführen. Die selbsttätige Zündung wurde durch ein im Stiel der Handgranate befindliches Gewicht bewirkt, das sich beim Wurf infolge seiner Schwere vom Stiele löste und so den AZ. scharf machte. Von der neuen Waffe wurden zunächst 200 000 Stück an die Front geliefert. Eine Mehrbeschaf-fung wurde indessen vom K. M. abgelehnt, weil eine Umstellung der Fabriken zuviel Schwierig-keiten gemacht hätte." (Als Quelle nennt Westerholt: „Stielhandgranate August s. I. K. Abt. Ref. F Akte 29.") Obwohl er also keine weiteren Angaben zu dieser interessanten Handgranate macht, sind wir dennoch in der Lage, Zeichnungen und eine Beschreibung zu bringen, die wir aus anderen Akten entnehmen konnten.
Beschreibung In ihrem Aussehen ist diese Handgranate „August" nahezu mit der Stielhandgranate „Wilhelm".
Stielhandgranate „August"
Links = im gesicherten Zustand, wobei die Hülse mit dem angebrachten Gewicht die „Haarnadel"-Feder zusammendrückt und damit das Schlagstück blockiert. Rechts = im entsicherten Zustand. Die herausgefallene Hülse ermöglichte die Entspannung der „Haarnadel"-Feder, wobei die Backen aus der Aussparung des Schlagstückes herausgetreten sind. Beim Aufschlag der Handgranate im Ziel kann nun das Schlagstück mit dem Schlagbolzen auf die Zündkapsel treffen.
identisch, die wir auf Seite 4831 von Heft 30 der „Waffen-Revue" abgebildet haben. Man sieht ihr zunächst also nicht an, daß sie ein völlig anderes „Innenleben" hat.
In dem üblichen, mit einem Deckel abgeschlossenen Blechtopf mit der Sprengladung ist ebenfalls die Sprengkapsel untergebracht. Im anschließenden Zündergehäuse am Stiel ist der Zündkapselhalter mit der Zündkapsel untergebracht, der so ausgehöhlt ist, daß in seiner Mitte ein Schlagstück mit einem Schlagbolzen gleiten kann. Dieses Schlagstück, das aus dem Zündkapselhalter herausragt, ist so gestaltet, daß in die Ausnehmungen eine „Haarnadel"-Feder mit ihren daran befestigten Backen eingreifen kann.
Im gesicherten Zustand wird diese Feder durch eine Hülse so zusammengedrückt, daß die Backen in die Ausnehmungen des Schlagstückes greifen und dieses an einer Bewegung hindern, wodurch auch der Schlagbolzen, von der Zündkapsel entfernt, festgehalten wird. Am unteren Ende ist diese Hülse mit einem Gewicht verbunden, welches durch eine Schraubkappe am Ende des Stiels am Herausfallen gehindert wird.
Vor dem Werten wird die Schraubkappe am Stiel entfernt und die Handgranate mit dem Topf nach unten gehalten. Während des Flugs nach dem Wurf wird durch das Beharrungsvermögen das schwere Gewicht mit der daran befestigten Hülse, die bisher die Feder zusammengedrückt hat, herausgezogen. Die Feder entspannt sich nun, wobei die Backen aus dem Schlagstück treten und dieses freigeben. Beim Aufschlag der Handgranate im Ziel trifft der Schlagbolzen auf die Zündkapsel, die nun die Sprengkapsel im Topf zündet, wodurch die Sprengladung im Topf zur Detonation gebracht wird.
Der Vorteil bei dieser Handgranate war, daß man sie, mit abgeschraubter Kappe, gesichert und wurfbereit am Grabenrand ablegen konnte und sie bei Bedarf nur fortzuschleudern brauchte.
Der Nachteil aber war, daß man unbedingt darauf achten mußte, daß das Gewicht vor dem Wurf nicht aus dem Stiel fiel, weil sonst die Handgranate scharf wurde; allerdings erst, nachdem die Hülse ein ganzes Stück aus dem Stiel herausragte und die Feder sich vollends hätte ausdehnen können.
Die Herstellung der Handgranate war doch recht kompliziert. Zwar war die Aushöhlung des hölzernen Stiels nicht schwieriger als bei allen anderen Stielhandgranaten. Auch die Anbringung des Gewindeteils am hinteren Ende des Stiels für die Schraubkappe wurde in gewohnter Weise vorgenommen. Aber die Schaffung des Zündergehäuses war wohl nicht ganz einfach.
Wie man auf der Zeichnung erkennen kann, mußte in diesem Gehäuse aus Metall, welches mit Schrauben am Stiel befestigt wurde, eine feste Führung für das Schlagstück untergebracht werden, in der sich das Schlagstück mit dem angebrachten Schlagbolzen frei bewegen konnte. Außerdem mußte noch eine Lagerung geschaffen werden, in die der Zündkapselhalter eingepreßt wurde.
Schließlich war noch für die Herstellung der „Haarnadel"-Feder ein besonderer Stahl nötig, der ein Zusammenpressen bei eingesetzter (Sicherungs-)Hülse ohne Ermüdung ermöglichen konnte und eine Ausdehnung bei entfernter Hülse wieder gewährleistete.
Das Annieten der Tragevorrichtung, die das Mitführen durch den Mann erleichterte (fiel leider bei der Handgranate 24 später weg!), verursachte einen weiteren Arbeitsgang.
Dies dürften wohl eher die Gründe dafür gewesen sein, warum man nur eine Serie von 200 000 Stück in Auftrag gab. Die Formulierung des Ing. Westerholt, wonach „eine Mehrbeschaffung vom Kriegsministerium abgelehnt wurde, weil eine Umstellung der Fabriken zuviel Schwierigkeiten gemacht hätte", dürfte wohl nicht ganz zutreffend sein. Schließlich mußten für die erste Serie ja auch schon die Werkzeuge geschaffen werden.
Stielhandgranate mit Fliehgewicht-Brennzünder Bei dieser Gelegenheit soll noch eine weitere Handgranate erwähnt werden, bei der ebenfalls ein Gewicht die Zündung einleiten sollte. Offenbar sollten Unfälle, die beim Abziehen des Brennzün-ders vorkamen, wenn nämlich dabei die Handgranate aus den Händen rutschte, vermieden werden. Bei dieser Handgranate sollte also das während des Fluges herausfallende Gewicht, das mit dem Abreißdraht verbunden war, das Reibzündhütchen anfeuern und somit den Brennzünder in be-kannter Weise in Tätigkeit versetzen. Da alle Einzelheiten aus der Zeichnung ersichtlich sind, kann, aus Platzgründen, auf eine weitere Beschreibung verzichtet werden. Die häufig vorgekommenen Blindgänger und die aufwendige Herstellung verhinderten eine Massenherstellung.
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